
Quelle: Tarik Gündogdu
Yannick Rupert steigt in die 3. Liga auf.

Quelle: Tarik Gündogdu
Yannick Rupert steigt in die 3. Liga auf.
Nach dem Abstieg des BVB II hält Yannick Sager (25) für Dortmund in der 3. Liga die Stellung. Er ist nach Timo Gansloweit, der schon in der 2. Liga unterwegs ist, das größte Schiedsrichtertalent unserer Stadt. Seit einem Jahr steht Yannick Sager jetzt in der Verantwortung vor zum Teil großen und hitzigen Kulissen.
Wie er damit umgeht, was er jüngeren Kollegen empfiehlt und besonders seine Motivation erzählt er im Interview.
Yannick, arbeiten wir das ab, was oft unberechtigterweise zuerst ins Auge sticht: das Negative. Denn wer dich im Internet sucht, stößt unweigerlich gleich auf ein besonderes. Mit Claus-Dieter ‚Pele‘ Wollitz, dem Kult-Trainer von Energie Cottbus, wirst du wohl kein bester Freund mehr? Nach dem Duell Cottbus gegen Osnabrück gerietst du zum ersten Mal republikweit in die Schlagzeilen…
Ja, er hat sich nachher negativ über mich geäußert. Ich fand das aber nicht so schlimm. Wir hatten nach dem Spiel sogar zusammen beim Bierchen in der Kabine gesessen. Letztendlich lag ich aber bei allen strittigen Situationen richtig. Nur eine Abseitsentscheidung meines Assistenten hat sich als Irrtum herausgestellt. Der aber kann passieren.
Das hat dich also nicht entmutigt?
Nein, überhaupt nicht. Ich finde das sogar gut, wenn jemand wie Pele mit mir offen redet. Er hat sich aber auch gar nicht so abwertend geäußert. Dass so etwas mal passiert, war zu erwarten. Wir Schiedsrichter machen wie die Trainer auch mal Fehler.
Wie gehst du generell in solche Spiele vor größeren und emotionaleren Kulissen?
Vor den Spielen bin ich schon ein wenig angespannt. Als ich zum Beispiel das ruhmreiche Stadion an der Grünwalder Straße in München erreichte, wusste ich natürlich, wie bedeutsam dieses Stadion für viele ist. Und dann spielte auch noch 1860 gegen einen anderen Traditionsverein, Hansa Rostock. Aber schon beim Warmmachen war ich in meinem üblichen Flow und hatte die Sicherheit, das Spiel wie jedes andere leiten zu können.
Wie bewertest du dein erstes Jahr in der 3. Liga?
Ich bin sehr zufrieden. Ich glaube, meine Sache fast immer ordentlich gemacht zu haben. Das bestätigten auch die Spielleitungen, die mir anvertraut wurden. Wie ein Spieler freue mich auf jeden Einsatz in dieser Liga.
Aus der Reihe „die übliche, aber doch interessante Journalistenfrage“: Welches war das denkwürdigste Spiel deiner noch jungen, aber doch aufregenden Laufbahn? Vielleicht genau dieses Duell in München?
Das zählt definitiv dazu. Denn das Spiel ist für mich sehr gut gelaufen. 1860 hatte ein 1:0 aus der Hand gegeben, Rostock 2:1 gewonnen. Ich nenne aber auch das Spiel Sinsen gegen Meinerzhagen. An das erinnere ich mich gerne, weil ich mich damals für die Oberliga qualifiziert hatte. Und dann durfte ich das Kreispokalendspiel TuS Eichlinghofen gegen den Lüner SV leiten. Das war ein Überraschungssieg für den Underdog Eichlinghofen vor toller Kulisse.
Wie jeder Lehrer bei Schülern wird auch der Schiedsrichter Spieler oder Vereine haben, denen er sich insgeheim mehr verbunden fühlt. Das ist normal. Blendest du das komplett aus?
Aber klar. Das lässt sich aber auch auf jedes Betätigungsfeld übertragen. Wer professionell arbeitet, muss ja alle gleichbehandeln. Es spielt gelb gegen blau und wir tun uns als Schiedsrichter selbst keinen Gefallen für unsere Saison, eine Mannschaft zu bevorzugen.
Auch der jungen Arzt Yannick Sager lässt daher keine grantelnden Patienten länger warten?
(lacht): Da wäre es ja noch schlimmer. Aber zurück zum Schiedsrichtersein: Auf dem Platz werte ich nur das, was ich sehe oder manchmal auch höre.
Was du hören musst: Ist das nicht für einen jungen Schiedsrichter ziemlich heftig, wenn ein ganzes Drittliga-Stadion gegen dich ist?
Ich fühle mich in diesen Ligen aber sogar mehr geschützt. Da kommen die Leute gar nicht an mich ran. Und die Spieler kennen ihre Grenzen besser als mancher Kreisliga-Fußballer.
Was machst du, wenn du dich bedroht fühlst?
Das passiert auch wegen der Ordner in höheren Ligen eher nicht. Sie schirmen uns gut ab. Wenn mir aber im Amateurfußball Leute Gewalt androhen oder mir zu nahekommen, setze ich mich ins Auto und fahre nach Hause. Das empfehle ich auch allen jungen Kollegen. Keine von uns macht das hauptberuflich, dementsprechend können wir in solchen Fällen unsere Freizeit auch mit schöneren Dingen verbringen.
Zuschauer von außen hauen auch gerne mal den Spruch raus: ‚Der Schiri steht unter Beobachtung. Der muss kleinlich pfeifen.‘ Empfindest du das auch so, dass du dann strenger bist?
In der Dritten Liga ist es mit Fernsehbildern so, dass am Ende fast jede Entscheidung zweifelsfrei aufgelöst werden kann. Das baut etwas Druck auf. Da war es in der Bezirksliga schon etwas angenehmer, dass mal eine fragliche Entscheidung auch vom Beobachter am Seitenrand nicht aufgelöst werden konnte.
Aber es hat mein Verhalten nie verändert. Jeder Schiedsrichter hat doch auch an sich den Anspruch, so gut wie möglich zu pfeifen. Dazu kommt ja: Heutzutage gibt es Soccerwatch, Livestreams und private Handyaufnahmen. Unsere Entscheidung steht unter ständiger Beobachtung. Aber noch mal: Mein Anspruch ist, die gerechte Entscheidung zu treffen, weil ich gerne Schiedsrichter bin und gut sein möchte und nicht, weil ich unter Beobachtung stehe.
Bist du mit deinem Standing als Schiedsrichter zufrieden?
Ich mag meinen Job, weil wir ja auch Teil der Fußballerszene sind. Ich spreche gerne mit den Leuten nach den Spielen wie jeder andere Beteiligte auch. In der Regel ist der Umgang auch angenehm. Generell wünsche ich mir von Fußballern noch etwas mehr Respekt für uns. Viele machen es sich zu einfach und sagen, Emotionen gehören dazu. Wenn Emotionen aber in Beleidigungen oder Bedrohungen ausarten, gehören sie eben nicht dazu. Ich habe gerade die Basketball-EM verfolgt, sehe mir auch regelmäßig Spiele anderer Sportarten an. Da begegnen sie den Schiedsrichtern mit mehr Respekt. Diese Debatten und Beleidigungen, die es bei uns ja doch noch oft gibt, habe ich in anderen Sportarten fast gar nicht wahrgenommen.
Wieder eine Frage aus der Reihe „übliche, aber doch interessante Journalistenfrage“: Warum bist du Schiedsrichter geworden. Dein älterer und dein jüngerer Bruder pfeifen auch. Haben eure Eltern mal gesagt, Jungs, ihr müsst kein Musikinstrument spielen, aber als Schiedsrichter lernt ihr fürs Leben?
(lacht): Nein, unsere jüngeren Schwestern sind übrigens auch keine Schiedsrichterinnen. Aber unsere Eltern haben uns unterstützt, sie haben uns, als wir minderjährig waren, oft zu den Plätzen gefahren. Ich war damals Torwart beim Kirchhörder SC, hatte mir dann überlegt, auch mal die andere Seite kennenlernen zu wollen. Und als Schüler fand ich ein kleines zusätzliches Taschengeld auch ganz attraktiv. Und dann habe ich eben immer mehr Freude daran gefunden.
Dein jüngerer Bruder Jonathan klettert auch die Ligen immer höher. Seid ihr Konkurrenten oder Freunde?
Wir sind Brüder und Freunde! Wir unterhalten uns auch viel über unsere Spiele, aber letztendlich vergleichen wir uns nicht. Und Jonathan soll eben auch als Schiedsrichter Jonathan sein und dann nicht der jüngere Bruder von Yannick.
Zum Abschluss eine weitere übliche Frage: Hast du Schiedsrichter-Vorbilder?
Nein, ich habe zum Beispiel Respekt vor dem Charakter und der Karriere eines Felix Brych. Aber ein Vorbild? Das wäre als Schiedsrichter auch schwierig, weil da jemanden einfach zu spiegeln, wäre unglaubwürdig. Gerade in unserem Job sind Glaubwürdigkeit und Authentizität wichtig. Ich rate daher auch jedem Kollegen: Behalte deinen Charakter.
Von deinem Kollegen Andreas Braun habe ich den Gruß „Gut Pfiff!“ gelernt. Den wünsche ich dir!
Danke. Ich freue mich wirklich schon wieder auf das kommende Spiel.
[Alex Naehle]