Normalerweise sollte das hier der Platz sein, um mit unserem Kreisvorsitzenden Andreas Edelstein ein schönes, sportlich faires, gesundes und erfolgreiches Vereinsleben zu würdigen. Die Ereignisse auf den Dortmunder Sportplätzen lassen so ein Interview aber nicht zu. Gewalt und Übergriffe werden immer mehr zum Alltag und darüber müssen wir sprechen.
Andreas, ich wünschte mir, wir könnten dieses Gespräch wenigstens mit positiven Gedanken beginnen und mit Appellen und Hoffnungen beenden. Schließlich geht es um den schönsten Sport der Welt.
Das unterschreibe ich sofort! Und die meisten Vereine in Dortmund sicherlich auch.
Aber?
Es geht nicht nur um Fouls während eines Spielzugs. Wir haben es wöchentlich mit Straftaten zu tun, die den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen. Da geht es um gebrochene Nasen und Rippen, Platzwunden. Selbst wenn jemand auf dem Boden liegt, ist nicht mehr Schluss. Da habe ich mittlerweile das Gefühl, dass unsere Strafen nicht ausreichen, vor allem, weil wir feststellen, dass Wiederholungstäter dabei sind.
Wie sehr brennt der Baum gerade?
Wer die Zeitung liest, weiß, dass aktuell kaum ein Spieltag in der Dortmunder Kreisliga gibt ohne Gewaltvorfälle. Außerdem nehmen wir natürlich auch die Spielabbrüche wahr. Das wollen wir auch im Kreisvorstand so nicht mehr hinnehmen. Wir haben seit Saisonbeginn 150 Verfahren. 150! Sicherlich wird heute mehr bekannt als früher. Durch die Liveübertragungen oder Handyvideos von Zuschauer*innen, wird alles publik und das ist gut so. Aber wenn unser Volker Schneeloch bereits am Sonntag die ganzen Fälle sortiert, geht er mit keinen schönen Gedanken an den Fußball ins Bett. Und ich auch nicht.
Volker und du, der erster Mann im Kreis ist, sorgen sich ernsthaft und leider auch zu Recht. Was weißt du über die, die wegen solcher Ausraster sogar im Krankenhaus gelandet sind?
Ich nenne den Fall eines Schiedsrichters aus einer Nachbarstadt, der innerhalb weniger Monate zweimal ins Krankenhaus musste. Da muss ihn doch jeder, der ihn gerne hat, fragen, ob er noch bei Trost, wenn er jemals noch einmal ein Spiel pfeift. Wir haben ja auch ganze Mannschaften, die gegen einen Gegner nicht mehr antreten. So weit sind wir gekommen.
Und wir schreiben noch immer auf unseren Seiten von Faszination Schiedsrichter…
Und wir haben auch 13-,14-Jährige, die diese Aufgabe sehr gerne übernehmen möchten. Es ist ja gut, wenn das immer noch so ist. Aber wir müssen unsre Schiedsrichter besser schützen. Schließlich haben wir ohnehin schon einen Schiedsrichtermangel. Bestimmte C-Liga-Spiele können wir nicht mehr besetzen. Das hilft uns in der Gewaltprävention bestimmt nicht. Und ich bin nicht mehr bereit, bestimmte Mannschaften zu schützen.
Also reden wir darüber, was ihr gegen die neue Gewalt tun wollt.
Wir treffen uns in der AG Gewaltprävention regelmäßig. Prävention besagt ja schon, dass wir nicht nur Übeltätern hinterherlaufen wollen, sondern alle Beteiligten ermutigen wollen, im Vorfeld zu handeln. In der AG sind vertreten der Kreisfußball-Ausschuss, Markus Schanz für die Schiedsrichter und Tobias Falke, ein Sozialpädagoge im Dienste des TV Brechten, der auch diese Vereinssicht in die AG trägt. Dazu bin auch in der AG. Darüber hinaus sind wir im Austausch mit dem Verband. Ich habe mich mit dem Vizepräsidenten Amateurfußball Andree Kruphölter zu dem Thema ausgetauscht und wir sind uns einig, dass wir härtere Strafen brauchen.
Und du kannst uns was berichten?
Der Verband prüft aktuell die Satzung und die Spielordnungen. Sobald es dazu mehr gibt, berichte ich. Gemeinsam wollen wir also auch bei den Strafen ansetzen. Im Kreis Dortmund sind die Vereine ab C-Junioren aufwärts verpflichtet, zwei Ordner zu stellen, die zwischen den Trainerbänken stehen. Erstens dürfte die Ordnerbinde schon signalisieren: Hier passt jemand auf! Zweitens dürfte die Hemmschwelle wenigstens der Heimleute steigen, eigene Ordner zu überrennen. Die Schiedsrichter kontrollieren, ob Ordner da sind. Und wer keine Ordner stellt, zahlt 30 Euro Strafe, im Wiederholungsfall 60 Euro und beim dritten Mal müssen die Vereine bei uns antanzen. Dann haben wir – wie früher- wieder ein Innenraumverbot. Nur noch Spieler, Trainer und gemeldete Betreuer dürfen auf die Bank. Punkt! Unsere Schiedsrichter wissen ja oft gar nicht mehr bei den ganzen Leuten auf, neben und hinter der Bank, wer wer ist.
Wie könntet ihr Leute auf diesen Weg mitnehmen?
Ich denke an unsere Workshops. Ich denke an unsere Fair-Play-Preise. Ich denke an Appelle und ein neues Gefühl auf dem Platz, dass Gewalt dort nicht geduldet wird.
Die bist gerade ein paar Monate im Amt. Was lässt dich in diesen schon sehr aufreibenden Zeiten hoffen?
Meine tollen Mitstreiter im Kreisvorstand und die Signale vom Verband, dass an Lösungen gearbeitet wird, die wir gerne mittragen werden. Damit Fußball auch auf den Dortmunder Plätzen wieder ein wunderbarer Sport wird.
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Gespräch geführt von Alex Naehle