
Ein erstes Mal wurden die nationalen Titelkämpfe der U16 und der U23 am vergangenen Wochenende im Rahmen einer gemeinsamen Meisterschaft im Ulmer Donaustadion ausgetragen. Und die Medaillenausbeute, mit welcher die Dortmunder Leichtathleten am späten Sonntagabend aus Süddeutschland zurückkehren, konnte sich ebenso sehen lassen wie auch die starken Einzelleistungen, die viele der Rothemden bei ihrem Saisonhöhepunkt anboten.
Für ein Highlight sorgte Samira Attermeyer in dem vielleicht hochklassigsten U23-Weitsprungfinale der letzten Jahre, welches einen heißen Kampf um die drei Startplätze für die U23-EM in Bergen bereithielt. Als eine von fünf Normerfüllerinnen für die Meisterschaften angereist – zwei weitere sollten in Ulm sogar noch hinzukommen – sorgte die Dortmunderin zunächst für eine Zitterpartie:
Auf zwei ungültige Sprünge musste Attermeyer eine passable Weite folgen lassen, um in die Top 8 zu springen und damit drei weitere Versuche zu erhalten. „Der Wettkampf war so natürlich extrem nervenaufreibend“, gab auch die 21-Jährige später zu.
Doch unter Druck wusste die U20-EM-Teilnehmerin von 2023 zu liefern, sprang zunächst auf 6,20 Meter und ließ anschließend Sätze auf 6,39 und 6,41 Meter folgen. Aber auch die Konkurrentinnen überzeugten, sodass vor dem letzten Durchgang feststand: Es braucht noch einmal eine Verbesserung von Samira Attermeyer, die zu diesem Zeitpunkt einzig auf Rang sechs lag, um noch in Medaillen- und Europameisterschaftskampf einzugreifen. „Das Niveau war wirklich verrückt hoch, mit fünf Athletinnen, die die Norm alleine in dem Wettkampf überboten haben“, so Attermeyer.
Und doch ließ sich die mittlerweile in Münster trainierende LGO-Starterin von diesem Niveau nicht einschüchtern, sammelte alle Kräfte für den finalen sechsten Versuch und sorgte mit ihrem Sprung für ein lautes Raunen auf der Haupttribüne im Donaustadion. 6,66 Meter zeigte die Anzeigetafel, nur einen Zentimeter entfernt von der Führungsweite der neuen deutschen Meisterin Libby Buder. „Ich hab mich einfach gefreut, dass ich unter diesem Druck im letzten Versuch noch solch eine Leistung bringen konnte“, sagte Attermeyer später – der Jubel über die EM-Qualifikation und die Silbermedaille ließ wenig Platz für Trauer über die so hauchzart verpasste Titelverteidigung.
Jubel bei Attermeyer
„Aufgrund des so hohen Niveaus bedeutet mir der 2. Platz wirklich viel“, betonte die LGO-Springerin und bestätigte, dass ihr die Leistung aus Ulm reichlich Selbstbewusstsein für die Europameisterschaften in knapp zwei Wochen gebe – ganz ungeschuldet der Tatsache, dass ihr weitester Sprung mit irregulärer Windunterstützung gemessen wurde und Attermeyer die persönliche Bestleistung so verwehrt blieb.
Groß war die Freude im LGO-Lager einige Minuten zuvor bereits über das Geschehen auf der Rundbahn gewesen. Nach einem ungefährdeten Vorlaufsieg am Vortag, wollte Karolina Haas auch im Finale über die 800 Meter der weiblichen U23 ihr taktisches Geschick beweisen.
Spätestens als die Final-Starterinnen um Haas an der Spitze des Feldes nach rund 1:06 Minuten die erste der zwei Laufrunden absolviert hatten, war jedem im Stadion des SSV Ulm klar, dass alles auf einen schnellen Schlussspurt hinauslaufen würde. „Normalerweise gehen wir etwa 1:02 Minuten an“, verriet die deutsche Hochschulmeisterin aus der Halle später. 100 Meter vor dem Ziel war es dann auch Haas, die zum Spurt ansetzte. Keine der Kontrahentinnen konnte folgen, sodass die Dortmunderin beinahe schon überraschend ungefährdet zum deutschen Meistertitel stürmen konnte – 2:09,65 Minuten zeigte die Uhr im Ziel, womit allerdings keine der Läuferinnen auch nur näherungsweise in den Bereich der U23-EM-Norm für Bergen kam (2:03,80 Minuten).
Den vollständigen Medaillensatz in der U23 komplettierte Till Marburger im Stabhochsprung. Pünktlich zum ersten Saisonhöhepunkt in Form gekommen, bestätigte Marburger mit 5,10 Metern zunächst seine Saisonbestleistung, bevor er sich im zweiten Versuch auch noch über 5,20 schwang. Zwar reichte es in Ulm nicht mehr für weitere Höhenflüge, geschlagen geben musste sich der Maschinenbau-Student dennoch einzig den beiden Leverkusenern Luke Zenker, der einzig aufgrund weniger Fehlversuche vor dem Dortmunder landete, und U20-Weltmeister Hendrik Müller. LGO-Springer Hendrik Hohmann wurde nach undenkbaren Windböen bei seinen Versuchen Sechster mit übersprungenen 4,95 Metern.
Erfolgreichster Dortmunder Medaillensammler war in Ulm währenddessen Tim Behovits. In gleich fünf Disziplinen für seine ersten deutschen Einzelmeisterschaften qualifiziert, hatte sich der Mehrkämpfer für Starts in Hoch- sowie Stabhochsprung entschieden. Zwar stand Behovits nach einem engen Hochsprung-Duell um die vorderen Plätze am Samstag mit der Bronzemedaille da, vollständig zufrieden konnte sich der 14-Jährige aber dennoch nicht sein: „Ich bin leider etwas unter meinen Erwartungen geblieben“, gab er nach übersprungenen 1,79 Metern zu – die Folgehöhe von 1,83 Metern war an diesem Tag zu hoch für den Athleten von Kai Atzbacher und insgesamt vier weitere Springer. Da der Dortmunder die entscheidende Latte auf 1,79 Metern zuvor aber bereits im ersten Versuch überquert hatte und sich auch im Vorfeld keinen Fehlversuch erlaubt hatte, durfte er sich gemeinsam mit Julian Löcher (Solinger LC) das bronzene Edelmetall umhängen lassen. In diesem Jahr hatte Behovits bereits 1,87 Meter überquert, war als Erster der deutschen Bestenliste und damit auch als Favorit nach Ulm gereist. „Obwohl ich mir eine ähnliche Höhe erneut gewünscht hätte, bin ich mit zwei Medaillen bei meiner ersten DM doch sehr zufrieden“, erklärte der Schüler.
Und diese Zufriedenheit drückte sich am Sonntag auch in großem Jubel aus: Nur ein Versuch blieb Behovits im Stabhochsprung bei 4,25 Metern, um sich auch dort auf einen Medaillenrang zu schieben. Zuvor bereits die 4,15 Meter erst im finalen Versuch übersprungen und bei 4,20 Metern zwei Mal gescheitert, entschied sich Behovits zu pokern.
Behovits pokert und feiert
Da die Kontrahenten die 4,20 Meter bereits übersprungen hatten, musste eine neue Höhe her, sodass sich der Dortmunder den dritten Versuch aufbewahrte. Und das sollte sich auszahlen: Unter großem Jubel flog der 14-Jährige über die Latte – und nach Ausscheiden eines Großteils der Kontrahenten war klar: Hinter dem Zweibrückener David Könsgen reicht die neue persönliche Bestleistung zum deutschen Vizemeistertitel. „Der Wettkampf war wirklich sehr kräftezehrend, aber am Ende bin ich über den Ausgang komplett zufrieden“, sagte Behovits nach fast vier Stunden Stabhochsprung, in denen Julius Schepeler mit neuem Hausrekord von 3,80 Metern außerdem Achter wurde. Stark präsentierte sich außerdem Marie Schöbel mit PB von 11,60 Sekunden und Rang drei im B-Finale über 100 Meter der U23, sowie Paul Gröver, der die 800 Meter als Fünfter in Bestleistung von 1:51,94 Minuten beendete.
[Ben Duwenbeck, RN]