
Müssen wir uns Sorgen um den hochklassigen Dortmunder Amateurfußball machen? Stehen die Rückzüge von Türkspor Dortmund und sogar das Komplett-Aus des TuS Bövinghausen sinnbildlich für die Entwicklung? Diese Fragen bewegen viele Freunde des Amateurfußballs in unserer Stadt. Der Spielerstreik in Brünninghausen, weitere Rückzüge, eine Schlägerei nach einem E-Junioren-Spiel in Aplerbeck… „Das Gesamtbild ist ein anderes“, sagt einer, der es wissen muss: Wir haben uns mit unserem Kreisvorsitzenden Andreas Edelstein über den Status Quo des Fußballs in unserer Stadt unterhalten.
Andreas, sind das Ausreißer? Oder steht es um unseren Fußball wirklich so schlecht?
Nein, gewiss nicht. Es kommt eben viel danach. Denn wir haben gerade auf unserem Kreisjugendtag beeindruckende Zahlen gehört. 160.000 Menschen unserer Stadt sind ialleine in unseren Vereinen organisiert. Im Kreis Dortmund gibt es 22.000 Jugendspieler in 816 Mannschaften. Und wenn wir solche Zahlen nehmen, ich könnte weitere nennen, dann sind die wirklich ernstzunehmenden negativen Dinge dann doch nicht so häufig.Fangen wir mit dem Negativen trotzdem an. Wie denkst du über die Fälle Türkspor, Bövinghausen und Brünninghausen, die oft in einem Atemzug fallen?
Bövinghausens Aus ist sicher ein großes Stück selbstverschuldet. Bei Türkspor sehe ich auch eher das große Ganze. Dass der Verein sich für die Regionalliga qualifiziert hat, ist natürlich gut für Dortmund. Und dass er das durchaus bekannte Risiko trug und als erster Verein jenseits des BVB seine Chance nutzen wollte, verstehe ich zu 100 Prozent. Am Ende aber hat sich gezeigt, dass diese Liga wahrscheinlich dann doch keine Spielklasse für aus dem Amateursport kommende Klubs ist.Weil?
Weil das eine Profi-Liga ist. Von oben aus der dritten Liga kommen Teams, mit denen ein Türkspor eben nicht mithalten kann. Den MSV Duisburg bspw. und TSD trennen Welten. Aber es gibt es eben auch Zweitvertretungen von Bundes- oder Zweitligisten oder schon lange höher etablierte Vereine mit einem ganz anderen finanziellen Background. Und doch habe ich Respekt vor Türkspor, dass sie ihr sportlich verdientes Aufstiegsrecht genutzt haben. Brünninghausen ist ein Fall, der sicherlich intern zu klären ist. Ich denke, Kommunikation wird da auch ein Thema sein. Den FCB habe ich immer als vorbildlich empfunden. Ich sehe da weiterhin ein ordentliches Fundament.Dann kommen wir zu Mannschaften, die aus personellen Gründen entweder gar nicht oder nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt angetreten sind…
Da erhoffen wir uns natürlich durch die neue Ligenstruktur ab kommendem Jahr einiges. Die neue eingleisige Kreisliga A wird ein sehr gutes Produkt, das wir sogar im Sinne der Vereine vermarkten können. Da sind wir bereits mit potenziellen Partnern im Austausch. Die B-Ligen werden stärker. Und die C-Liga bleibt auch für diejenigen sportliche Heimat, die gar nicht mehr so ambitioniert kicken. Aber sie schickt eben auch ihre Besten nach oben. Da wir gerade bei Beispielen waren: Westfalia Dortmund hat zwar aufgrund des sicher forschen Marketings einige Kritiker, aber ich sehe hier klar das Gute. Die haben eben schon viel mehr anzubieten als mancher alteingesessener Verein. Westfalia hat einen Unterbau im Senioren- und Juniorenbereich. Dazu kommen die Frauen.Heißt das, irgendwann muss Tradition ja anfangen?
Genau! Aber ich sehe natürlich auch die Beispiele, die schon im ersten Jahr scheitern. Ich rate jedem, der so etwas vorhat, das Ganze sehr gut zu planen.Daher wird es auf den Plätzen ja immer enger…
Die Platzvergabe ist ja nicht die Aufgabe des Kreises, aber wir unterstützen natürlich sinnvolle Lösungen, wo vielleicht eine faire Neuverteilung vielen mehr hilft, als wenn Vereine an Trainingszeiten festhalten, die sie gar nicht benötigen. Wir haben ja unseren Achim Schütz, den Assistenten für Vereinsentwicklung. Er kommt zu den Vereinen, hört sich deren Sorgen und Ziele an und versucht, an sinnvollen Entscheidungen mitzuwirken.Wir kommen nicht um die Prügelei nach einem E-Junioren-Spiel in Aplerbeck herum. Das kann doch nicht im Sinne des Sports sein, dass Eltern ihren Kindern vorleben, wie es eben nicht gehen soll. Wir beurteilst du das?
Das hat mich, der ja schon einige Gewaltexzesse zu bewerten hatte, ein ganzes Stück mehr geschockt. Was sind das für Vorbilder? Was lernen die Kinder daraus? Sie sind tatsächlich überhaupt nicht das Problem mittlerweile sogar im Kinderfußball. Das sind Eltern oder Erwachsene.Dass die sehr anerkannten Vereine ASC 09 und TSC Eintracht involviert waren, hat viele Beobachter, die solche Geschehnisse eher bei Vereinen mit Migrationshintergrund verorten, gewundert…
Ich weiß, dass die Rechten gerne daraus Kapital schlagen wollten, aber auch ihnen sei mal klar gesagt: Das ist nicht immer nur ein Problem des kulturellen und sozialen Hintergrunds, in diesem Falle überhaupt nicht. Das Problem ist hier, dass Erwachsene den Sinn des Fußballs nicht verstehen. Hannes Wolf hat doch völlig zu Recht initiiert, dass es gerade bei den Jüngsten nicht um Leistung, sondern Spaß und Bewegung im Team gehen soll. Fehlgeleitete Erwachsene torpedieren solche sinnvollen Konzepte und schaden, was viel schlimmer ist, ihren eigenen Kindern sehr. Ich erwarte von Eltern Unterstützung des eigenen Nachwuchses und nicht das Niedermachen anderer Kinder. Das verurteile ich scharf.Da wir gerade gedanklich in Aplerbeck sind: Der ASC ist doch einer der Vereine, die Werbung für den Fußball machen. Meinst du das mit ‚kommt danach?
Ganz genau! Der ASC spielt seit 2014 in der Oberliga, hat auch für die Breite sehr viele Mitglieder. Wir haben die Schürener und eigentlich auch die Brünninghauser, die über Jahre sehr gute Arbeit leisten. Wir haben gute Landesligisten.Dann wird Eichlinghofen gute Voraussetzungen mitbringen, nachhaltig in dieser Liga zu bleiben – sofern sie denn aufsteigen. Oder Kirchhörde schafft es. Auch das ist dann ein gesunder, lebendiger Verein. Schade um die Sölder in der Landesliga, die wahrscheinlich gerade spüren, dass der Aufstieg aus einer vermeintlich leichteren Liga die höhere Liga schwieriger macht als aus einer Liga, in der du mehr gefordert wirst. Aber ich sehe tatsächlich viele positive Beispiele.
Wir hören…
Ich nenne mal Westfalia Huckarde, die damals gar nicht in die Bezirksliga 10 wollten. Sie fühlen sich da mittlerweile gut aufgehoben, selbst wenn sie diese am liebsten schon im Sommer Richtung Landesliga verlassen hätten. Ich kann das verstehen: Wenn ich auch Bezirksniveau spiele, möchte ich ja auch mal aus dem Kreis raus. Wir Husen-Kurler haben früher die Fahrten ins Münsterland zu den schönen Rasenplätzen genossen. Aber zurück zur Westfalia: Sie entwickelt sich sehr gut. Es wäre schon, auch sie – dann eben im kommenden Sommer – aufsteigen zu sehen, wie natürlich alle Dortmunder Vereine und besonders die wieder richtig zulegenden Mengeder in der Bezirksliga 10.Und dann kommt der ganze Frauenbereich dazu, den wir gerne an dieser Stelle mal als eigenen Bereich noch einmal explizit würdigen. Der TuS Eichlinghofen, der im kommenden Jahr das Kreispokal-Finale ausrichtet, steht für viele Vereine, die da hervorragende Arbeit leisten.
Als du am 7. Mai zum Kreistag in den Brauersaal der DAB-Brauerei gebeten hast: Hattest du einen ähnlich unkomplizierten Verlauf wie beim Kreisjugendtag erwartet?
Ja, denn wir haben im ständigen Dialog mit den Vereinen viel Vorarbeit geleistet und grundsätzlich bewerte ich unsere Arbeit in den sehr vielschichtigen Aufgabenbereichen schon sehr positiv.Aber natürlich dient solch ein Tag auch dem Austausch. Wir vom Kreisvorstand wollen ja die Vereine mitnehmen und entscheiden nicht über ihre Köpfe hinweg. Und Diskussionen können ja auch durchaus fruchtbar sein.
[Alex Nähle]