Fast 14 Stunden Quälerei für Dortmunder Ausdauerspezialisten

„Ihr seid ja so verrückt, mir wird schon schlecht, wenn ich nur daran denke, was ihr vor euch habt. Aber bin sicher, ihr schafft das, und ich drücke euch die Daumen.“, machte ein Freund dem Triathlon-Duos Stephan Wensing und Lars Thiele vor deren persönlichen Triathlon über die Original-Hawai-Distanzen Mut. Beide sind zwar gut vorbereitet, aber als sie an den Bootshäusern der Ruderer am Dortmund-Ems-Kanal stehen, wurde ihnen klar, welche Herkulesaufgabe sie sich vorgenommen haben. Schon um vier Uhr klingelt der Wecker, um 5.30 Uhr werden sie durch Freunde abgeholt und eine Stunde später tauchen sie, begleitet durch ein aufblasbares „Stand – up – Paddle“ , das Sophie Nürnberger (allerdings im Sitzen) geschickt fortbewegt, in das Wasser des Kanals. „Wir sind froh, dass es heute nicht mehr so heiß ist, wie an den vergangenen Tagen, so ist es eine angenehme Abkühlung“, sieht Thiele den Wetterumschwung positiv. „Wir haben viel Erfahrung von früheren Wettkämpfen her, so dass wir uns das Tempo gut einzuteilen wissen und nicht überziehen“. erklärt Wensing, und das beweisen die beiden, obwohl sie sich zu einem Endspurt hinreißen lassen. 70 Minuten haben sie für die 3,8 Kilometer angepeilt, aber schon nach 64 Minuten klettern sie aus dem Wasser. „Im Kanal ist gut zu schwimmen, denn das Wasser schmeckt nicht so nach Entensch…. wie im Phoenix-See.“, kommentiert Thiele.
Die Rennräder warten schon, sie tauschen die nassen Schwimmanzüge gegen den Raddress und kurze Zeit später sitzen sie mit zwei Begleitern im Sattel und nehmen das Rennen gegen die Uhr über schier endlose 180 Kilometer Richtung Münsterland auf. „Die Jungs sind super drauf. Mit Rückenwind sind sie zehn Minuten früher als geplant nach 88 Kilometern an der ersten Verpflegungsstation in Münster-Gievenbeck angekommen.“, stellt Christof Neuhaus, der das Duo auf dem Rennrad begleitet, fest. Für Neuhaus, von Haus aus eigentlich ein ausgezeichneter Langstrecklenläufer mit einer Marathonbestzeit von 2:26 Stunden, ist das Radfahren eine besondere Herausforderung. „Ich setze mich heute abend erst einmal in eine Eistonne.“, stöhnt er, als er bei Halbzeit endlich einmal von dem ungewohnten Sportgerät absteigen und eine Pause einlegen kann.
11.06 zeigt die Uhr, als sie in Münster-Gelmer das Elternhaus von Stephan Wensing erreichen. Obwohl Mutter Wensing sie sicher gerne mit Köstlichkeiten verwöhnt hätte, bleibt nur kurze Zeit, um die Wasserflaschen aufzufüllen, und dann zeigt der Kurs in Richtung Süden nach Dortmund.
Überhaupt, die beiden Extremsportler scheinen das halbe Münsterland zu kennen oder damit verwandt zu sein, denn immer wieder stehen die Fans an der Straße, jubeln und feuern das Duo an. „Ihr seid super, starke Leistung. Genauso weiter machen.“, ruft ihnen Madleen zu. „Ihr seht doch noch recht frisch aus.“, stellt Bastian am Straßenrand fest. „Mal eben so 90 Kilometer am Stück abreißen, einfach super.“, staunt Renate.
Nächster Halt ist nach einem kräfteschonenden meist flachen Teilstück an der Verpflegungsstation Sendenhorst. Von nun an wird es schwieriger, denn der Wind bläst ihnen jetzt kräftig entgegen.
Sie Straßenschilder Richtung Dortmund zeigen immer weniger Kilometer an. „Bis auf einen kleinen Schauer ist es trocken geblieben, und es war nur wenig PKW-Verkehr. Wir haben immer noch gute Beine und sind sehr zuversichtlich.“, informieren Wensing und Thiele ohne das Radfahren zu unterbrechen und außer Atem zu sein.
Rund 150 Kilometer lang blieben sie von Defekten verschont, doch dann erwischt es sie in Lünen. Thieles Rad hat einen Platten. Wie geplant übernimmt er das Rad von Christof Neuhaus. Der soll einen neuen Schlauch einziehen und sich wieder auf den Weg machen. Aber das geht schief, denn Thiele hatte den falschen Schlauch mitgenommen. Neuhaus setzt einen Hilferuf ab und bittet an der Lüner Rundturnhalle abgeholt zu werden. Doch dann erhält er doch noch den passenden Schlauch, kann ihn montieren und wieder auf dem Rad zum Ziel strampeln.
Nach insgesamt 7:20 Stunden auf den Rädern können sie an Thieles Wohnung in der Kullrichstraße, absteigen. „Die letzten zehn Kilometer waren verdammt hart und der Gegenwind hat uns sehr gefordert.“, gesteht er. „Die letzten Kilometer gehen fast von alleine.“, meint Wensing dagegen. Zwar klagt er über Knieprobleme, aber das hindert ihn nicht, auch den abschließenden Marathon in Angriff zu nehmen. Beide sind jedoch einer Meinung, dass das Teilstück zwischen 120 und 150 Kilometern das schwierigste war. „Da musste man kräftig gegen den inneren Schweinehund kämpfen.“ So war der Zeitplan nicht mehr ganz einzuhalten.
Nun wartet der Phoenix – See. Freunde haben sich ihnen angeschlossen. Locker traben sie im 6:80er Minutenschnitt, geführt durch einen Radfahrer, um Dortmunds an diesem Tag gut besuchtes Freizeitparadies. Wensings Knieschmerzen sind vergessen. Zumindest soll der Trab locker aussehen, doch es wird trotz Lachen und Winken zu einer elenden Schinderei, die nach insgesamt 13:45 Stunden überstanden ist.
Familie, Freunde und Fans begrüßen sie beim Zieldurchlauf, eine Gartenmauer dient bei der Ehrung und der obligaten Sektdusche als Siegerpodest.
Tilmann Goltsch, Dortmunds erfahrener Langstreckenläufer und Triathlet, der sich allerdings noch nie an den Hawai-Distanzen herangewagt hat, war voll des Lobes: „Alle, die diese Tortur durchstehen, haben meine größte Hochachtung. Es ist nicht nur eine körperliche Höchstleistung, sondern man muss es auch mental schaffen.“
Weltmeister Jan Frodeno muss sich also keine Sorgen machen. Aber wenn der Gegenwind und die Panne nicht gewesen wäre, wer weiß.
Text und Foto: Horst Merz
Bildzeile: Stephan Wensing und Lars Thiele absolvierten die Ironman-Distanz