
Erfolgreich, bodenständig und bescheiden. Annegret Richter, die am heutigen 13. Oktober ihren 75. Geburtstag feiert, ist sich trotz ihrer glanzvollen Karriere immer treu geblieben. Den Höhepunkt ihrer eindrucksvollen Laufbahn erlebte die Dortmunderin 1976 bei den Olympischen Spielen in Montreal, als sie über 100 Meter in 11,08 Sekunden vor Renate Stecher (DDR / 11,13 Sek.) und ihrer Teamkollegin Inge Helten (11,17 Sek.) durchs Ziel stürmte und damit Sportgeschichte schrieb.
Bereits im Halbfinale sorgte die damals 25-jährige Sprinterin des OSC Dortmund mit der damaligen Weltrekordzeit von 11,01 Sekunden für einen Paukenschlag. Deutlich in Führung liegend, trudelte sie auf den letzten Metern nur noch aus. Sonst wäre für sie mit großer Wahrscheinlichkeit noch eine Zeit unter elf Sekunden möglich gewesen.Neben Gold über 100 Meter brachte Annegret Richter von den Olympischen Spielen in Montreal noch zwei Silbermedaillen mit nach Hause. Über 200 Meter lag die gebürtige Brechtenerin in 22,39 Sekunden als Zweite nur hauchdünn hinter der DDR-Sprinterin Bärbel Eckert (22,37 Sek.). Ebenfalls knapp war die Entscheidung in der 4x100-Meter-Staffel, wo das DLV-Quartett in der Besetzung Elvira Possekel, Inge Helten, Annegret Richter und Annegret Kroniger mit 42,59 Sek. Deutschen Rekord erzielte. Die Staffel der DDR gewann in 42,55 Sekunden Gold.
Erstes Olympia-Gold in München
Über ihre erste olympische Medaille konnte Annegret Richter bei den Olympischen Spielen 1972 in München jubeln, als sie als Mitglied des DLV-Quartetts zusammen mit Christiane Krause, Ingrid Mickler-Becker und Heide Rosendahl über 4x100 Meter in der damaligen Weltrekordzeit von 42,81 Sekunden Gold gewann. Bis zur Wiedervereinigung 1990 war Annegret Richter in der Leichtathletik mit vier Olympischen Plaketten (je zweimal Gold und Silber) die erfolgreichste deutsche Olympionikin aller Zeiten.
Westfälische Leichtathletik-Expert*innen unter sich: Peter Middel, Annegret Richter und Hans-Gerd Schulz (v. l.) beim gemeinsamen Wiedersehen der Ehrenmitglieder und Ehrenringträger des FLVW in Kaiserau.
Auf nationaler Ebene kam die frühere Weltklasse-Sprinterin, die seit 1971 mit dem früheren Hürdensprinter Manfred Richter verheiratet ist, 28 mal zu Titelehren. Dabei gelang ihr im Zeitraum von 1970 bis 1980 fünfmal das begehrte Triple, das heißt, sie gewann DM-Gold über 100 Meter, 200 Meter und4x100 Meter.
Für Annegret Richter, die seit 2016 Ehrenmitglied des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen (FLVW) ist, war neben dem Streben nach sportlichen Höchstleistungen auch der Teamgedanke von zentraler Bedeutung. So lief sie von 1970 bis 1980 in allen Staffeln der Nationalmannschaft mit. Auch im Verein spielte für sie das gemeinsame Miteinander eine wichtige Rolle. Als einen ihrer schönsten Meisterschaftserfolge bezeichnet die Doppel-Olympia-Siegerin daher ihren Titelgewinn mit der 4x100 Meter-Staffel des OSC bei den Deutschen Meisterschaften 1977 in Hamburg, als sie zusammen mit Gabi Bussmann, Sabine Klösters und Ina Walburg in 45,08 Sekunden vor dem Quartett des TSV Bayer Leverkusen gewann. Wegen einer schweren Angina hatte Annegret Richter bei den Titelkämpfen in der Hansestadt auf Einzelstarts über 100 Meter bzw. 200 Meter verzichtet, doch sie wollte ihre jungen Vereinskolleginnen nicht im Stich lassen und entschied sich trotz Handicaps noch für einen Staffelstart. Ohne ihren Einsatz wäre der Titel wahrscheinlich nicht nach Dortmund gegangen, denn Richter holte als Schlussläuferin mit einem fulminanten Sprint noch einen Rückstand von sieben Metern zum Leverkusener Quartett auf.
Zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen
Aufgrund ihrer zahlreichen Erfolge erhielt Annegret Richter zahlreiche hochkarätige Auszeichnungen. Dazu zählen u. a. das Bundesverdienstkreuz, der Rudolf-Harbig-Gedächtnis-Preis (höchste Auszeichnung im DLV), das Silberne Lorbeerblatt und der Landes-Verdienstorden NRW.
Der frühere Vorsitzende des OSC Dortmund, Walter Doedter, gratuliert Annegret Richter zu ihrem olympischen Staffel-Gold.
Nach ihrer glanzvollen Laufbahn ging Annegret Richter im Auftrag der Stadt Dortmund auf Talentsuche an Dortmunder Schulen und war dabei sehr erfolgreich. Danach arbeitete sie als Repräsentantin 25 Jahre beim Sportartikelhersteller adidas. Nach ihrer Pensionierung engagierte als Schöffin am Landgericht.
"Mit allem so zufrieden, wie es ist"
Heute steht für sie nicht mehr der Sport, sondern die Familie im Vordergrund. Besonders stolz ist sie auf ihre Kinder Daniela und Marcus und die beiden Enkel, mit denen sie zusammen mit ihrem Mann sehr viel unternimmt. Daniela Richter, die 2013 in Heidelberg promovierte, arbeitet am Deutschen Krebsforschungszentrum in Dresden. Marcus, der früher einmal Westfalenmeister im Hammerwerfen war, ließ sich zunächst zum Physiotherapeuten ausbilden und ist nach einem weiteren Studium inzwischen Mediziner. Annegret Richter betont anlässlich ihres Geburtstags, dass sie wunschlos glücklich sei. „So wie es jetzt ist, bin ich mit allem zufrieden und ich hoffe, dass es so noch lange bleiben wird.“
Drei Fragen an Annegret Richter
Du hattest während Deiner Glanzzeit sicherlich auch Angebote anderer Vereine, aber Du bist Dortmund treu geblieben. Was schätzt Du so an dieser Stadt?
Dortmund ist meine echte Heimat. Hier bin ich geboren und aufgewachsen. Hier sind echte Freundschaften entstanden und hier habe ich meine sportlichen Erfolge begonnem. Das verbindet sehr. Wenn dann die Familie entsteht und auch die Kinder und Enkel diesen Platz auf der Welt als ihre Heimat empfinden, verfestigt sich das Gefühl, hier zuhause zu sein.
Ich habe die ganze Welt mit wunderschönen Orten kennengelernt, aber wenn man gerne hier hin zurück kommt, bestätigt sich das Gefühl am richtigen Ort zu leben.
Die Familie steht für Dich inzwischen im Mittelpunkt. Deine beiden Enkelkinder halten Dich sicherlich oft auf Trab.
Durch die räumliche Nähe zur Familie unseres Sohnes ergeben sich zwangsläufig regelmäßige, aber auch spontane Hilfestellungen bei der Enkelbetreuung.
Die zwei sind sieben und viereinhalb Jahre alt. Wir begleiten sie seit ihrer Geburt durch die Kita, den Schwimmunterricht, das Kinderturnen und jetzt auch in die Schule.
Wir haben zwei wunderbare Enkel und sie sind jede Minute der Zuwendung wert.
Wie hältst Du dich noch fit
Bis zum Beginn der Pandemie bin ich regelmäßig ins Fitnessstudio gegangen. Danach habe ich, auch durch die Ablenkung durch die Enkel den Weg dorthin nicht wieder gefunden.
Die Enkel und die Gartenarbeit halten mich fit.
[Peter Middel]