Enkel Maximilian hält Doppel-Olympiasiegerin Annegret Richter momentan auf Trab

Annegret Richter (LG Olympia/OSC) kann  ihren 70. Geburtstag heute (13. Oktober) wegen der aktuellen Corona- Lage nur im familiären Kreis feiern.  Die Doppel-Olympiasiegerin (1972, 1976),  zweifache Silbermedaillen-Gewinnerin, Staffel-Europameisterin (1971) und 28-fache deutsche Meisterin will  in der aktuellen Situation keine unnötige Risiken für ihre Familienmitglieder und Freunde eingehen: „Wenn die Olympischen Spiele verschoben werden, muss ich auch meine Geburtstagsfeier verschieben. Ich hoffe aber, dass im kommenden Jahr beide Veranstaltungen  stattfinden können.“

Seitdem Enkel Maximilian vor zwei Jahren viel Freude in das Leben von Annegret Richter brachte, hat sich einiges für  die  frühere Weltklasse-Sprinterin  verändert. „Sie ist ganz in ihrer neuen Rolle als Großmutter aufgegangen,“ sagt Ehemann Manfred Richter.  Und Gold-Annegret bestätigt: „Es gibt nichts Schöneres für mich, als den Kleinen in seiner Entwicklung beobachten und begleiten zu können.“

Annegret und Manfred Richter, die sich beruflich  seit einigen Jahren im Ruhestand befinden, können Klein-Maximilian oft ungeteilte Aufmerksamkeit schenken. Dies ist an einigen Tagen auch notwendig,  denn Sohn Marcus und Schwiegertochter Agnes arbeiten beide als Ärzte im Krankenhaus und verfügen daher manchmal nur über ein begrenztes Zeitbudget. Aber auch sonst kümmert sich die einst schnellste Frau der Welt liebevoll um den Kleinen

In der Öffentlichkeit wird Annegret Richters Leben oft auf ihre großartigen sportlichen Erfolge reduziert, doch im Laufe der Jahre hat sich für sie einiges geändert. So steht für sie nicht mehr der Sport, sondern  die Familie im Vordergrund. Besonders stolz ist sie nicht nur auf ihren Enkel Maximilian, sondern auch auf ihre beiden Kinder Daniela und Marcus.

Daniela (38), die vor sieben Jahres in Heidelberg promovierte, arbeitet  am Deutschen Krebsforschungszentrum in Dresden. Marcus, der früher einmal Westfalenmeister im  Hammerwerfer war, musste nach einem schweren Motorradunfall sein Maschinenbaustudium abbrechen, ließ sich  anschließend zum Physiotherapeuten ausbilden und  ist nach einem weiteren Studium inzwischen Mediziner. Die Geburtstagsjubilarin ist überglücklich: „So wie es jetzt ist, sind wir mit allem zufrieden, und wir hoffen, dass es lange noch so bleibt“.

Einmal Gold und zweimal Silber bei Olympischen Spielen in Montreal

Annegret Richter erlebte bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal den Höhepunkt ihrer glanzvollen Karriere, als sie über 100 Meter in 11,08 Sekunden    vor  Renate Stecher (DDR, 11,13 Sek.) und  ihrer Teamkollegin Inge Helten (11,17 Sek.) zur Goldmedaille  stürmte und damit Sportgeschichte schrieb.

Bereits im 100m-Halbfinale sorgte  die damals 25-jährige Dortmunderin mit der damaligen Weltrekordzeit von 11,01 Sekunden für einen Paukenschlag. Deutlich in Führung liegend, ließ sie damals auf den letzten Metern nur noch austrudeln. Sonst wäre für sie mit großer Wahrscheinlichkeit  eine Zeit  unter elf Sekunden möglich gewesen.

Eine Chance, diese Schallmauer zu unterbieten, erhielt sie noch im 100- Meter-Finale, doch drei Fehlstarts bildeten keine optimale Ausgangsbedingung. „Beim ersten Versuch war die Zeitmessung ausgefallen. Man hat uns sehr spät zurückgeschossen. Da hatte ich einen Bilderbuchstart erwischt. Damit wäre ich unter elf Sekunden geblieben,“ vermutet Annegret Richter.

Nach dem 100-Meter-Finale   war sich die Dortmunderin im ersten Augenblick ihrer Sache nicht hundertprozentig sicher. Daher schaute sie zur großen Leinwand, die es in Montreal zum ersten Mal gab. Sie kann sich heute noch genau an den Moment ihres größten sportlichen Glücks  erinnern:  „Als ich dort sah, dass ich vorn lag, ist eine große Last von mir abgefallen.“

Der Olympiasieg bedeutet ihr mehr als das Unterbieten der Elf-Sekunden-Schallmauer: „Die Goldmedaille kann mir keiner nehmen. Die besitze  ich für immer. Bei meinem wichtigsten Wettkampf auf den Punkt genau fit gewesen zu sein, ist mir wichtiger als ein Weltrekord, denn der ist vergänglich.“

Ihr zweites Olympiagold errang Annegret Richter bei den Olympischen Spielen 1972 in der 4x100m-Staffel. Neben zahlreichen Medaillen und Trophäen hat die Rudolf-Harbig-Preis-Trägerin  während ihrer glanzvollen Karriere zahlreiche Freunde gewonnen. So gehören zu ihrem engsten Bekanntenkreis  unter anderem 800m-Olympiasiegerin Hildegard Falk und die dreifache Olympiasiegerin Renate Stecher. Darüber ist sie ebenfalls sehr glücklich.

Seit  sechs Jahren  engagiert sich die frühere Top-Sprinterin für den Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW) als Botschafterin. In dieser Funktion hat sie in der Vor-Coronazeit bei Meisterschaften oftmals die Siegerehrungen übernommen und plauderte bei verschiedenen Verbandsveranstaltungen und Talkrunden über ihr erfolgreiches Sportlerleben. „Mir bereitet diese Tätigkeit sehr viel Freude, weil der Bedarf recht hoch ist und viele mich noch kennen,“ freut sich  die bodenständige Dortmunderin, die zu den erfolgreichsten Leichtathletinnen des Deutschen Leichtathletik-Verbandes zählt. Auf dem Verbandstag des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen  am 4. Juni 2016 in Gütersloh wurde sie aufgrund ihrer zahlreichen Erfolge und ihres großen Engagements abseits der Kunststoffpiste   zum Ehrenmitglied des westfälischen Verbandes  ernannt.

Annegret Richter  verfolgt weiter mit großem Interesse  das aktuelle Leichtathletik-Geschehen- vor allem auch die positive Entwicklung in Dortmund. „Wenn man so fachkundige Trainer und so optimale Anlagen wie in Dortmund hat, dann sind das hervorragende Ausgangsbedingungen, die man sich besser nicht wünschen kann.“

Annegret Richter zeigt sich optimistisch, dass  sich unter den gegebenen Voraussetzungen der Erfolgstrend und die von ihr eingeleitete Sprinttradition  der LG Olympia Dortmund auch in Zukunft  fortsetzen werden. „Wichtig ist nur,“ so die einstige Doppel-Olympiasiegerin, „dass die hoffnungsvollen Athletinnen und Athleten auch damit klar kommen, dass es für sie nicht nur immer bergauf geht. Auch ich hatte manchmal Tiefpunkte  in meiner Laufbahn. Da muss sich immer wieder motivieren. Wichtig ist auch, dass man ab einem bestimmten Leistungsniveau keiner Konkurrenz mehr ausweicht, denn nur so kann man sich weiter entwickeln.“

Text/Foto: Peter Middel    

 

Bildzeile: Annegret Richter ist immer noch ein großes Vorbild für Jugendliche

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