Tim Jambor (27), gebürtiger Rüsselsheimer, könnte mit dem Dortmunder Fußball hadern. Doch den Kreis-Sportrichter schockieren zwar Vorkommnisse wie kürzlich beim Spiel Sus Derne II gegen K.F.Sharri IV, aber generell fühlt sich der Geschäftsführer des BSV Schüren und Ex-Schiedsrichter in der Fußballstadt sehr wohl. Im Interview spricht Tim Jambor auch über die vielen Facetten seines Lebens.
Tim, was geht dir durch den Kopf, wenn du solche Fälle wie den aus Derne mit einer Massenschlägerei auf dem Tisch liegen hast?
Das hat für mich nichts mehr mit Fußball zu tun. Ich hatte auch nicht erwartet, solche Verfahren zu verhandeln, als ich meine Aufgabe im Sportgericht angetreten war. Gewisse Unsportlichkeiten im Fußball müssen wir zwar ahnden, aber die kann ich nachvollziehen. Emotionen sind im Fußball immer vorhanden, aber alles, was in die Richtung von Tätlichkeiten geht, gehört einfach nicht auf den Sportplatz.Sinkt die Hemmschwelle?
Ich denke schon. Die Fallzahlen unterscheiden sich nicht großartig zum vergangenen Jahr, aber gefühlt ist die Schwere der Verfahren gestiegen.Du wirkst eher ruhig, fast schon sanft. Fällt es dir schwer, harte Urteile zu fällen?
Spaß macht mir das nicht. Ich bin ich eher der Typ, der mit seinen Urteilen positive Verhaltensänderungen erwirken möchte. Doch manchmal sehe ich auch, dass ich mit einem Urteil kein Verhalten ändern kann, sondern rein präventive Strafen verhängen muss.Ist es von Vorteil, ein Sportrichter zu sein, der selbst mal Fußballer und Schiedsrichter war und zudem in einem Verein eine wichtige Position innezuhaben?
Ja, aber dazu möchte ich ehrlicherweise sagen, dass ich dem Klischee entspreche, Schiedsrichter geworden zu sein, weil sich mein fußballerisches Talent arg in Grenzen hielt (lacht). Dennoch weiß ich auch, wie Spieler ticken. Als Schiedsrichter bekam ich das ja dann auch hautnah zu spüren. Dass ich in Schüren Vereinsarbeit betreibe, hilft mir auch, um zu verstehen, wie die Klubs ticken und vor welchen Herausforderungen Vereine teilweise stehen. Gerade bei der Entscheidung von Urteilen hat mir das schon sehr dabei geholfen, mehrere Facetten zu betrachten.Bei all dieser Gemengelage kommt die Liebe zum Fußball aber nicht zu kurz?
Nein, sonst würde ich das nicht machen. Natürlich ist es schade, dass ich aufgrund der Arbeit beim Sportgericht und damit verbundenen Unparteilichkeit nicht mehr als Schiedsrichter agieren darf, trotzdem bin ich noch sehr gerne als Zuschauer auf den Sportplätzen unterwegs. Zuletzt habe ich mir das Pokalduell Hörder SC gegen ASC 09 Dortmund angesehen.Und sonst trägst du auch mit Überzeugung das Schürener Grün...
Ja klar, während der BSV-Spiele bin ich kein Sportrichter, sondern Schürener Fan. Dass ich mich dann hier und da auch über Schiedsrichter Entscheidungen aufrege, gehört dazu. Für mich bleibt es dabei aber immer sportlich, sodass ich auch nach jedem Spiel noch zusammen mit den Schiedsrichtern über Situationen scherzen kann.Wir haben über dich erfahren, dass du neben deiner Arbeit in der IT-Branche privat Extremsituationen suchst. Wie passt das zum stets besonnenen Tim Jambor, den wir auf den Plätzen erleben?
Das eine ist wahrscheinlich die Ursache für das andere. Ich hatte schon öfter bei meinen Touren Nahtod Erfahrungen machen müssen. Daher lässt mich der Alltag eher gelassen bleiben. Natürlich gibt es Sachen, die mich nerven, aber ich wüsste nicht, was mich noch so richtig aus der Ruhe bringen kann. Die Erfahrungen, welche ich auf solchen Touren gesammelt habe, zeigen einem, dass vieles nicht so schlimm ist wie man denkt. Letztlich kann ich mir immer sagen: Ich habe schon Schlimmeres überlebt.Kreisarbeit klingt eher spröde. Deine Vita ist durchaus bemerkenswert. Was führt einen jungen Mann auf Dortmunds Fußballplätze und sogar in die gefährliche Wildnis unserer Erde?
Zu meinen Abenteuern: Ich habe für mich beschlossen, nicht nur mein Leben zu überleben, sondern zu erleben. Die Erfahrungen, die ich aus solchen Touren sammle, sind für mich unersetzlich. Den eigenen Köper an Grenzen zu bringen und darüber hinauszugehen, weil es einfach keinen Plan B gibt und ich keine Alternativen habe, verändert mich. Und dann zu meiner Kreisarbeit: Ich bin vor ungefähr vier Jahren wegen des Berufs nach Dortmund gekommen. Hier wollte ich mit der Schiedsrichterei beginnen und habe den Kontakt zum BSV Schüren gefunden. Peter Seifert, der Vorsitzende, freute sich darüber und lud mich direkt ein. Ich habe Peter dabei direkt gesagt, dass ich nicht nur ein paar Spiele pfeifen möchte, sondern am Vereinsleben teilhaben möchte.Lässt der omnipräsente Peter Seifert denn starke andere Meinungen zu?
Natürlich! Peter ist Schürener Inventar, aber er legt sogar Wert darauf, dass wir uns offen über Themen austauschen. Manchmal bin ich auch anderer Meinung als Peter, dann diskutieren wir darüber. Eine Lösung finden wir dabei immer.Und wie kamst du zum Kreis?
Dadurch, dass ich Schiedsrichter war, habe ich einige vom Kreis kennengelernt. Darunter auch unseren Vorsitzenden des Sportgerichts, Patrick Neumann. Wir sind mittlerweile nicht nur Arbeitskollegen, sondern auch sehr gute Freunde geworden. Als er mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, Sportrichter zu sein, habe ich zugesagt – auch wenn ich dadurch kein Schiedsrichter mehr sein konnte.Was wünscht du dir?
Ich wünsche mir Fußball ohne Gewalt. Für mich ist Fußball ein Raum für einen Ausgleich zur Arbeit, Schule und jeglichen Problemen. Eine Möglichkeit, Zeit mit Freunden zu verbringen, zusammen Erfolge zu Feiern oder aus Niederlagen zu lernen. Jeder sollte sich auf einem Sportplatz sicher und aufgehoben fühlen. Gewalt hat für mich absolut nichts damit zu tun, und gehört auch auf keinen Sportplatz. Für mich selbst: Ich plane schon die nächste Survival-Herausforderung in der Arktis.[Alex Nähle]